Abtreibungs-Referendum in Irland

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Abtreibungs-Referendum in Irland

Überlegungen von Gerd Wittka, ⓒ Gerd Wittka, 27.5.2018


Einleitung


In Irland hat es gerade ein Referendum über die Abtreibung gegeben. 
Ziel war die Überarbeitung des derzeitigen strengen Abtreibungsverbots, das zudem mit sehr hohen Haftstrafen drohte.
Die Mehrheit hat für die Überarbeitung des Abtreibungsgesetzes in Irland gestimmt.
Von den BefürworterInnen eines ‘liberaleren’ Abtreibungsrechtes wird das als großer Sieg, auch im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gefeiert.

Ich sehe das jedoch komplexer ...




Die Not der schwangeren Frauen

Eine Schwangerschaft kann für Frauen auch eine Notlage bedeuten; dieses insbesondere dann, wenn sie ungewollt, vielleicht sogar durch eine Gewalttat (Vergewaltigung) schwanger geworden ist.
Eine Notlage besteht ohne Zweifel auch dann, wenn die Schwangerschaft und/oder die Geburt das Leben der Mutter gefährden würde.
Eine Notlage kann eine Schwangerschaft auch bedeuten, wenn sich früh herausstellt, dass das Kind aller Wahrscheinlichkeit mit einer schwersten Erkrankung oder mit starken Behinderungen zur Welt kommt.
Eine Notlage kann eine Schwangerschaft selbst dann werden, wenn die schwangere Frau in einer schwierigen sozialen oder wirtschaftlichen Lage ist, der es ihr schwer oder gar unmöglich erscheinen lässt, das Kind verantwortlich aufziehen zu können.
Besonders erschwerend kommt hinzu, wenn die schwangere Frau allein dasteht, also in keiner festen Partnerschaft lebt.

Diese Notlagen müssen wir bei der Frage eines Schwangerschaftsabbruch immer mit im Hinterkopf behalten, und es wäre ignorant, wenn diese Notlagen nicht auch im Diskurs beachtet würden.


Das Primat des Lebensschutzes - Das Recht des ungeborenen Lebens

Und dann ist da das Primat des Lebensschutzes.
Das Primat des Lebensschutzes gilt in jeder Phase des menschlichen Lebens, weil es durch keine Umstände eingeschränkt oder gar aufgehoben wird.

Somit ist die ethische Frage eines Schwangerschaftsabbruchs auch immer mit der Frage nach dem Lebensschutz zu verknüpfen.
Dies führt aber bei dem ungeborenen Leben bei manchen zur Frage, ab wann man überhaupt von ‘menschlichem Leben’ sprechen kann?
Dies ist sicherlich eine Frage, die von verschiedenen Aspekten und Sichtweisen, auch von verschiedenen Prämissen abhängig ist.
Die römisch-katholische Kirche z.B. betont, dass menschliches Leben bereits bei der Zeugung beginnt und somit von Anfang an unter dem Schutz des (ungeborenen) Lebens steht.

Unabhängig von der Frage, ab wann man sinnvollerweise von menschlichem Leben sprechen kann, muss bei dem Schwangerschaftsabbruch auch die Frage beantwortet werden, wie dem ungeborenen Leben der nötige Schutz gewährt wird?



Konkurrierende Interessen - ethischer Konflikt

Im Falle einer Konfliktsituation in einer Schwangerschaft wird es daher darum gehen, eine ethisch verantwortliche Haltung zu finden, die sowohl der Notlage der Schwangeren und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau auf der einen Seite und dem Schutz des ungeborenen Lebens auf der anderen Seite gerecht wird.

Hier besteht unter Umständen ein schwerwiegender ethischer Konflikt, in dem die Frauen keineswegs allein gelassen werden dürfen; weiß man doch auch, dass gerade Frauen nach einem Abort unter Umständen in eine tiefe seelische Krise geraten zu können.

Auf der anderen Seite steht das Lebensrecht des ungeborenen Lebens. 
Man würde Frauen, gerade auch in Notsituationen, überfordern, wenn man von ihnen erwarten würde, dass sie ihre eigene Situation bewältigen und zugleich ‘Anwältin des ungeborenen Lebens’, dem werdenden Kind in ihrem Mutterleib, sein sollen.
Dieses ethische Dilemma kann nur durch eine um-fassende Hilfe von Staat, Gesellschaft, Politik, Kirchen etc. bearbeitet werden.

Insofern steht es auch nicht gegen das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Frauen, dass Staat und Gesellschaft und alle in ihr verbundenen gesellschaftlichen Gruppen sich dieses Themas annehmen und eine gesellschaftliche Lösung anbieten.

Dabei ist auch festzustellen, dass es eine gewisse Rollenverteilung gibt. 
So ist es allgemein bekannt, dass sich gerade auch die Kirchen verstärkt als AnwältInnen des ungeborenen Lebens verstehen und sich von daher mit anderen gesellschaftlichen oder politischen Initiativen in einem tiefen Konflikt stehend sehen.

Das ist aber gar nicht zu beklagen, weder dass die Kirchen sich in diese Rolle begeben haben, noch dass sie dafür kritisiert werden. 
Denn in einer offenen, freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft gehört gerade diese kontroverse Auseinandersetzung wesentlich dazu und ist für die gesellschaftliche Meinungsbildung unentbehrlich.
Es widerspricht hingegen dem Geist einer freiheitlichen Gesellschaft den unterschiedlichen Protagonisten in dieser Auseinandersetzung einen ‘Maulkorb verpassen’ zu wollen.



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Die Verantwortung der Gesellschaft

Nach meinem Verständnis treffen in diesem ethischen Konflikt so gravierende Fragen zu Tage, dass sie nicht allein durch ein Individuum entschieden werden können. 
Gerade auch der Schutz des (ungeborenen) Lebens muss auf unverbrüchlichen Wertefundamenten stehen, damit er nicht durch Zeitgeistveränderungen oder politische Entwicklungen zur Dispostion gestellt werden kann oder einer gewissen Beliebigkeit überlassen wird.

Aber auch der Gewissenskonflikt der betroffenen Frauen kann so groß sein, dass sich die Frauen als Teil der Gesellschaft und Wertegemeinschaft auf die solidarische Unterstützung der Gesellschaft und des Staats verlassen müssen.

Menschliches Leben ist immer soziales Leben, das eingebunden ist in ein gesellschaftliches Gefüge.
Insofern darf sich auch die Gesellschaft in dieser Frage nicht aus der Verantwortung stehlen und die betroffen Frauen allein lassen.
Dies gilt aber nicht nur im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit ein Schwangerschaftsabbruch ethisch vertretbar und gesellschaftlich akzeptiert wird.
Dies gilt auch in den Fragen, wie werdende Mütter unterstützt werden können, die trotz persönlicher Notlage das Kind austragen möchten.
Indem dieses Thema nicht nur als ein individuelles und persönliches Thema der Frau, sondern als ein gesellschaftlich-verpflichtendes Thema angesehen wird, nimmt es Staat und Gesellschaft mitverantwortlich in die Pflicht.



Die Verantwortung der Politik

Damit die Gesellschaft und das Individuum Verantwortung in dieser Frage übernehmen kann, muss die Politik im Staat rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, mit denen dieser ethische Konflikt gelöst und eine größtmögliche Schadensbegrenzung angestrebt wird, die sich aus den widerstreitenden Interessen in diesem ethischen-moralischen und rechtlichen Konflikt ergibt.

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